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Wirtschaftsgipfel Biogas – der Branche droht die Luft auszugehen

2030 könnten zwei Drittel der niedersächsischen Anlagen nicht mehr existieren

Rotenburg (Wümme), eine Hochburg der niedersächsischen Biogasproduktion, war Ende Februar Schauplatz des Wirtschaftsgipfels Biogas. Teilnehmer aus Bundes- und Landespolitik trafen sich mit Vertretern der Erneuerbaren-Branche, darunter Umwelt-Staatssekretärin Anka Dobslaw und Landrat Marco Prietz. Bei dem Treffen stand die Zukunft der Biogasbranche im Mittelpunkt.

 

Fantasielose Kraftwerksstrategie ignoriert klimafreundlichen Lösungsansatz

 

Für hunderte niedersächsische Biogasanlagen endet in den nächsten Jahren der EEG-Vergütungszeitraum. Die kürzlich von der Bundesregierung vorgestellte Kraftwerksstrategie (KWS), die Nationale Biomassestrategie (NaBiS) und insbesondere die nächste Biomasse-Ausschreibung sind entscheidend für den Fortbestand des Biogasanlagen-Parks. Derzeit gibt es deutschlandweit knapp 10.000 Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 6 Gigawatt, die jährlich über 33 Terawattstunden Strom erzeugen, was etwa 6 Prozent des deutschen Stromverbrauchs entspricht. Zudem wird die gleiche Menge an Wärme erzeugt, die vor allem im ländlichen Raum genutzt wird. Ohne Fortführung der EEG-Förderung steht die Biogasbranche vor dem Aus.

 

Verschwendung von Steuermilliarden vermeiden und bestehende Biogaskapazitäten ausbauen

 

Silke Weyberg, Geschäftsführerin des LEE, erklärt: „Allein in Niedersachsen könnte die aktuelle Leistung von 1,4 auf 2,8 GW bis 2030 problemlos verdoppelt werden. Das entspricht etwa der Leistung von sechs Gaskraftwerksblöcken. Dabei ist es nicht notwendig, mehr Biomasse einzusetzen oder mehr Fläche zu benötigen. Stattdessen könnten zusätzliche Blockheizkraftwerke aufgestellt werden, um Strom nur dann zu produzieren, wenn weder Sonne noch Wind verfügbar sind. Es ist volkswirtschaftlich unsinnig, einen funktionierenden Erneuerbaren-Kraftwerkspark stillzulegen, um gleichzeitig Milliarden für neue, mit fossilem Gas betriebene Kraftwerke auszugeben.“

 

Verluste bei Klimaschutz, Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen vermeiden

 

Die niedersächsische Biogasbranche hat sich zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftszweig entwickelt. Laut einer Studie der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung aus dem vergangenen Jahr befanden sich 2021 bundesweit jeder sechste Erneuerbare-Energien-Arbeitsplatz in Niedersachsen, was rund 57.530 Beschäftigten entspricht. Die Biogasbranche allein zählte 8.740 Bruttobeschäftigte. Diese Arbeitsplätze sind nun in Gefahr. In Niedersachsen sind 23 Prozent der deutschlandweit installierten Anlagenleistung angesiedelt, und der LEE schätzt das jährliche Umsatzvolumen auf vier Milliarden Euro.

 

Die deutsche Biogasbranche schafft etwa 57.000 Arbeitsplätze und erzielt einen Umsatz von über 13 Milliarden Euro. Die Unternehmen gelten als Weltmarktführer und exportieren ihre Technologie in mehr als 120 Länder. Ein funktionierender Heimatmarkt ist jedoch unerlässlich.

 

Aktivitäten verlagern sich ins Ausland

 

Stefan Heins, Geschäftsführer von Biogas Service Tarmstedt, erklärt: „Die Firmen der Biogasbranche sind Innovationstreiber und absolut führend in Europa. Inzwischen haben sich jedoch große Teile unserer Aktivitäten ins Ausland verlagert, da dort im Gegensatz zu Deutschland weiterhin auf Biogas gesetzt wird. Gerade der Heimatmarkt erfordert jedoch die Stärken der Biogasbranche im Zuge der fortlaufenden energiewirtschaftlichen Transformation. Wir können und wollen unsere Potenziale stärker in die Energiewende einbringen, dafür benötigen wir jedoch mehr als nur gutgemeinte Worte von der Politik. Wir brauchen gesetzgeberische Unterstützung, um mehr grüne Gase und grüne Wärme auf den Markt zu bringen.“

 

Die Politik braucht nur zuzugreifen – die Lösung liegt in größeren Ausschreibungsmengen

 

Joost Kuhlenkamp, LEE-Referent für Bioenergie und Wärme, stimmt dem zu: „Es ist für uns und die Akteure in der Branche nicht verständlich, warum in Niedersachsen und auch im Bund nicht stärker auf Biogas gesetzt wird. Häufig haben wir den Eindruck, dass lieber mit fossilen LNG-Strukturen gearbeitet wird, anstatt unsere erneuerbaren und kurzfristig verfügbaren Potenziale zu nutzen. Biogas kann alles, was Erdgas kann, und steht im Vergleich zu Wasserstoffimporten sofort und regional zur Verfügung. Die nicht bezuschlagten Biomasse- und Biomethanausschreibungsvolumen müs-sen als haushaltsneutrale Maßnahmen nachgeholt werden.“

 

Biogas auch in anderen Sektoren entscheidend für die Energiewende

 

Biogas ist auch in anderen Sektoren entscheidend für die Energiewende. Kuhlenkamp betont: „Die Biogasbranche ist auch bei der Versorgung mit grünen Gasen und Kraftstoffen innovativ und entscheidend für eine schnelle Dekarbonisierung. Dies zeigt sich auch auf dem heutigen Wirtschaftsgipfel: Von CNG-Tankstellen über die Bio-LNG-Herstellung bis hin zur kommunalen Wärmewende ist Biogas gefragt und einsetzbar. Häufig haben wir jedoch den Eindruck, dass die Politik mehr auf fossile Abhängigkeiten setzt, anstatt die realen, regionalen Potenziale zu nutzen.“

 

Umwelt-Staatssekretärin Anka Dobslaw unterstützte den Einsatz der Bioenergie als wesentlichen Bestandteil der niedersächsischen Energiewende. Das Land, so versprach Dobslaw, will die Impulse, die aus der Branche kommen, bei der Umsetzung der Biomassestrategie berücksichtigen.

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