Wechselwind der Studienlandschaft: Windenergietechnik und maritime Technologien neu gedacht

Wechselwind der Studienlandschaft: Windenergietechnik und maritime Technologien neu gedacht

07.02.2025

Wechselwind der Studienlandschaft: Windenergietechnik und maritime Technologien neu gedacht

Ein Interview mit Prof. Dr.-Ing. Carsten Fichter von der Hochschule Bremerhaven

LEE: Herr Professor Fichter, bitte stellen Sie uns einmal Ihre Tätigkeit und die Studiengänge Windenergietechnik und Maritime Technologien vor.

Prof. Dr.-Ing. Carsten Fichter: Ich bin seit etwa acht Jahren Professor an der Hochschule Bremerhaven. Mein Schwerpunkt liegt in der Windenergie, Energiewirtschaft und Energiespeicherung, und ich bin in vier verschiedenen Studiengängen tätig. Zwei davon sind Bachelorstudiengänge: Der erste heißt Ingenieurwesen Maritime Technologien, wo wir Fachkräfte für den Bereich Windenergie ausbilden. Der zweite ist der Studiengang Nachhaltige Energien und Umwelttechnik, der breiter aufgestellt ist und den gesamten Bereich der regenerativen Energien abdeckt.

Danach gibt es zwei Masterstudiengänge: Den Master Windenergietechnik, wo sich Studierende gezielt auf die Windenergietechnik spezialisieren und Fach- und Führungskräfte ausgebildet werden, sowie Process Engineering and Energy Technology, unser internationaler, englischsprachiger Studiengang. Dieser richtet sich an internationale Studierende, die wir ebenfalls unter anderem für den Energiesektor ausbilden.

Wie erleben die Studierenden ihren Studiengang?
Studienpate Etienne Büchner im Interview.

Sinkende Studierendenzahlen: Eine wachsende Problematik

LEE: Vor welchen Herausforderungen stehen Sie derzeit?

Prof. Dr.-Ing. Carsten Fichter: Die größte Herausforderung sind die sinkenden Studierendenzahlen. Die Branche hat einen enormen Bedarf an Fachkräften, aber es gibt viel zu wenige Studierende, die sich für technische Studiengänge interessieren – auch nicht im Bereich der Windenergietechnik, obwohl es hervorragende Jobchancen gibt. Unsere Absolvent:innen sind in der Industrie, im Gewerbe und in öffentlichen Einrichtungen sehr gefragt, wir bekommen immer wieder positive Rückmeldungen und der Übergang in den Beruf ist häufig fließend. Trotzdem ist es schwierig, junge Menschen für technische Berufe zu begeistern.

Klimaschutz versus Studieninteresse – das Paradox

LEE: Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Klimaschutz und Energiewende sind doch zentrale Themen der jungen Generation.

Prof. Dr.-Ing. Carsten Fichter: Das ist tatsächlich ein Paradox. Viele junge Menschen engagieren sich beispielsweise bei Fridays-for-Future, aber der Weg in technische Berufe oder Studiengänge bleibt dennoch aus. Es gibt dafür verschiedene Gründe: Zum einen gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Hochschulen, die technische Studiengänge anbieten, sodass sich die Bewerber stark verteilen. Zum anderen sind technische Berufe oft anspruchsvoll und erfordern ein gewisses Durchhaltevermögen, was manche abschrecken könnte. Wir versuchen alles Mögliche, um das Interesse zu wecken – wir gehen in Schulen, organisieren Informationsveranstaltungen wie Schülerklimagipfel und nehmen an Berufsmessen teil. Trotzdem bleibt es eine große Herausforderung.

Studiengang im Wandel: Mehr Sichtbarkeit für Windenergie

LEE: Sie sprachen von einer Umstrukturierung des Studiengangs. Wie sieht diese konkret aus?

Prof. Dr.-Ing. Carsten Fichter: Aktuell sind wir Teil eines größeren Studiengangs namens „Ingenieurwesen“, in dem die Studierenden erst breit gefächert starten und sich dann später spezialisieren. Das Problem dabei ist, dass unser Bereich – Windenergie – innerhalb dieses Konstrukts nicht sichtbar genug ist. Deshalb planen wir, uns neu aufzustellen mit dem Fokus auf Windenergie und Wasserstoff. Wir hoffen, dass wir dadurch mehr Studierende gewinnen können.

Gezielte Ansprache: Marketing und Informationsveranstaltungen

LEE: Wie werben Sie für Ihre Studiengänge?

Prof. Dr.-Ing. Carsten Fichter: Wir haben eine Marketingabteilung, die unter anderem Schulen besucht. In Bremerhaven gibt es zum Beispiel Berufsinformationstage für alle Schüler:innen ab der 12. Klasse, an denen wir teilnehmen. Außerdem gehen wir im Umland wie auch deutschlandweit zu Jobmessen. Trotzdem reicht das nicht aus, um die sinkenden Zahlen auszugleichen.

Praxisnähe und Industriekooperationen: Erfolgsrezept für Absolvent:innen

LEE: Wie sind die Berufsaussichten für Ihre Absolvent:innen?

Prof. Dr.-Ing. Carsten Fichter: Hervorragend! Die Industrie, das Gewerbe und öffentliche Einrichtungen nehmen unsere Absolvent:innen mit offenen Armen auf. Ich bin mehrmals jährlich auf Exkursionen in Forschungseinrichtungen und Betrieben unterwegs. Somit bekommen die Studierenden bereits während des Studiums eine Vielzahl von Eindrücken und Kontakten zu Unternehmen. Wir sind als Hochschule ein Bindeglied zwischen den Studierenden und der Industrie, und diese Praxisnähe macht unser Angebot besonders attraktiv.

Englischsprachige Studiengänge: Internationale Perspektiven in der Energietechnik

LEE: Gibt es internationale Studierende in Ihren Studiengängen?

Prof. Dr.-Ing. Carsten Fichter: Ja, insbesondere in unserem englischsprachigen Masterstudiengang Process Engineering and Energy Technology sind viele internationale Studierende, vor allem aus Ländern wie Pakistan, Indien, Nigeria oder Kamerun. Diese Studierenden würden oft gerne in Deutschland bleiben, weil sie hervorragend ausgebildet sind und hier gebraucht werden. Allerdings scheitert das oftmals an Sprachbarrieren oder daran, dass Unternehmen nicht bereit sind, Englisch als Arbeitssprache zu nutzen.

Sichtbarkeit steigern: Internationalisierung als Schlüsselstrategie

LEE: Welche Maßnahmen planen Sie, um die Sichtbarkeit Ihrer Studiengänge zu erhöhen?

Prof. Dr.-Ing. Carsten Fichter: Neben der Umstrukturierung und Neuausrichtung des Bachelorstudiengangs Wind und Wasserstoff setzen wir verstärkt auf Internationalisierung. Im Studiengang Nachhaltige Energie- und Umwelttechnologien möchten wir im Hauptstudium die Vorlesungen auf Englisch umstellen und international Werbung machen – ähnlich wie andere spezialisierte Hochschulen in Deutschland. Das Ziel ist, mehr internationale Studierende zu gewinnen, denn die Nachfrage aus dem Ausland ist groß. Gleichzeitig wollen wir unsere Präsenz in der Region stärken, um mehr junge Menschen aus Deutschland zu erreichen.

LEE: Herr Professor Fichter, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Studiengänge an der Hochschule Bremerhaven:

Bachelor of Engineering Ingenieurwesen / Maritime Technologien
Bachelor of Science Nachhaltige Energie- und Umwelttechnologien
Master of Science Windenergietechnik
Master of Science Process Engineering and Energy Technology

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