Zur diesjährigen Tagung des LEE-Mitglieds „Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Niedersachsen und Schleswig-Holstein e.V.“ trafen sich am letzten Freitag rund 40 Betreiberinnen und Be-treiber von kleinen Wasserkraftwerken aus Norddeutschland im Gronauer Ortsteil Banteln. Dabei ging es vor allem um die Probleme mit den ungebremst steigenden behördlichen Anforderungen, der Zukunft der Wasserkraft an der Aller und den Chancen der Aquathermie.
Bürokratie gefährdet Zukunft
Bereits zu Beginn verschaffte sich der Unmut der Teilnehmer über die widersprüchliche Situation der Kraftwerksbetreiber in einer lebhaften Diskussion Luft. Hans-Jürgen Schöningh, LEE-Vorstandsmitglied und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft, fasste die Diskussion so zusammen: “Immer neue Gesetze auf EU- und Bundesebene, wechselnde Anforderungen von Landesbehörden, strenge Dokumentationspflichten, spezielle Zertifizierungen, Sondergutachten, z.T. jahrzehntelange Genehmigungsverfahren und Anbietermangel bei den Spezialfirmen graben uns Erzeugern regenerativer Energie das Wasser ab.“
Darüber hinaus bestätigten einige Teilnehmer, dass sie wegen der immer schlechteren Rahmenbedingungen auf geplante Investitionen in die Effizienz verzichteten, andere beklagten, dass ihre Nachfolgeregelung nach Generationen zusammengebrochen sei.
Mittlere Aller bei Celle steht im Brennpunkt
Geographisch steht derzeit besonders die Aller zwischen Verden und Celle im Brennpunkt. Eigentlich könnte hier dreimal so viel Energie für tausende Haushalte erzeugt werden (25 Millionen Kilowattstunden pro Jahr), aber es wird von den Behörden an Stilllegungen und Rückbau gearbeitet.
Das Wehr Hademstorf mit einem Energiepotential von drei Millionen Kilowattstunden soll abgerissen werden, obwohl es sich seit Jahrzehnten positiv auf den Grundwasserspiegel und auf die Temperaturschichtung für den Fischbestand auswirkt.
Der bereits für drei Millionen Euro begonnene Bau der Forschungswasserkraftanlage Bannetze der TU Braunschweig, in der eine hochinnovative Schlüsseltechnologie erforscht werden soll, ist trotz der Fürsprache von Bundestags- und Landtagsabgeordneten der SPD, CDU und FDP in Gefahr für vier Millionen Euro wieder abgerissen zu werden.
Nachdem die bereits einmal genehmigten Bundesmittel infolge des Wechsels eines Verbundpartners eingezogen worden waren, wurde auf Ministerebene und Fachreferatsebene zwischen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und Land Niedersachsen zugesagt, die Fördermittel zur Fertigstellung der Forschungswasserkraftanlage über einen Neuantrag wieder zu bewilligen.
Das Land Niedersachsen steht zu seiner Kofinanzierung, das Bundeswirtschaftsministerium hat bisher seine Fördermittel nicht wieder bereitgestellt. Gegen das drohende Ende kämpfen derzeit Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker sowie die betroffenen Branchenverbände.
Das malerisch, unter Denkmalschutz stehende und seit 1910 produzierende Wasserkraftwerk Oldau wurde Anfang des Jahres durch das Wasserschifffahrtsamt Weser stillgelegt. Eine offizielle Begründung gibt es bis heute nicht und die regionalen Medien spekulieren über dessen ungewisse Zukunft. Das erst 2018 modernisierte Kraftwerk könnte mit einer Leistung von mehr als 600 kW mehrere hundert Haushalte versorgen. „Potentielle Interessenten für den Weiterbetrieb haben sich bei uns gemeldet“, sagt Hans-Jürgen Schöningh dazu.
Aquathermie besitzt Potential
Über die bisher völlig unberücksichtigten Potentiale der Aquathermie referierte Christian Seidel vom Institut für Statik und Dynamik an der Technischen Universität Braunschweig. „In den bereits für die Wasserkraft genutzten Fließgewässern liefert ein Abfluss von 100 Litern pro Sekunde eine Wärmeleistung von 1.000 bis 1.500 Kilowatt, wenn die Temperatur um zwei bis drei Grad abgesenkt wird.“ Er kündigte die Veröffentlichung der zugehörigen Studie für die nahe Zukunft an und verwies auf die Potentiale für die kleine Wasserkraft und den Nutzen für die bis 2028 fälligen Wärmepläne aller Kommunen in Deutschland. Den Stand der am Markt bereits heute erhältlichen Technik für die Wärmegewinnung stellte ein Vertreter der Firma Stiebel Eltron aus Holzminden vor.
Ortstermine bei Anlagen zur Erzeugung regenerativer, grundlastfähiger Energie
Im praktischen Programm wurde zunächst die Biogasanlage der „Bioenergie Leinetal“ im Gronauer Ortsteil Brüggen besucht. Die Anlage erzeugt bis zu zwei Megawatt grundlastfähige regenera-tive Energie. Damit werden über ein eigenes Pipeline-Netz ein nahe gelegenes Krankenhaus sowie betriebliche und private Kunden zu planbaren Tarifen versorgt. Auch hier berichtete der Betreiber über teils widersinnige Vorschriften, aber auch konstruktives Verhalten der Genehmigungsbehörden.
Ein letzter Höhepunkt der Veranstaltung war der Besuch der Wasserkraftanlage der Familie von Cramm in Brüggen an der Leine. In dem Gebäude von 1863 wurden vom Großvater des heutigen Betreibers, Oliver von Cramm, in den Jahren 1957 und 1962 zwei Turbinen eingebaut, die auf eine potentielle Leistung von 225 kWh kommen. Sie erzeugen jährlich über eine Million Kilowattstunden, womit rund 300 Haushalte versorgt werden können. Eine der Turbinen mußte nach einer Havarie ersetzt werden. Von Cramm berichtet über langwierige, noch nicht abgeschlossene Genehmigungsverfahren, die aber in positiver Atmosphäre verliefen.
Kontakt:
Hans-Jürgen Schöningh
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