Auf Christian Rehses Honigbrachen, Blühstreifen, Kulturpflanzengemengen und Durchwachsenen Silphie bei Goslar finden fliegende und krabbelnde Insekten einen reich gedeckten Mittagstisch: Unzählige Käfer und saugende Insekten tummeln sich das ganze Jahr über auf diesen Flächen, die Rehse extra für sie angelegt hat. „Mit solchen Flächen unterstützen wir die heimische Tierwelt, denn ihr Erhalt liegt uns am Herzen. Die blühenden Flächen werden teilweise abgeerntet und anschließend in unserer Biogasanlage verwertet. Es werden aber nicht alle Flächen beerntet, auf einem Großteil verbleibt der Aufwuchs auf den Feldern bis in den Spätherbst hinein und bietet der Tierwelt Schutz und Nahrung,“ so der Geschäftsführer der Biogasanlage REGO GmbH & Co. KG.
Wildpflanzenwiesen helfen vielen Insektenarten
Inzwischen gehen immer mehr Landwirte und Biogasanlagenbetreiber in Niedersachsen dazu über, Ackerflächen mit Blühpflanzen anzulegen, um die heimische Tier- und Pflanzenwelt zu unterstützen und um dem Artensterben zu begegnen. Um erfolgreich wirtschaften zu können, müssen die Anlagenbetreiber beim Einsatz von Blühpflanzen auf eine angemessene Vergütung achten. Daher begrüßt der LEE die finanzielle Förderung des Anbaus mehrjähriger Wildpflanzenkulturen zur Biomasseproduktion durch das Land Niedersachsen. Dies gleicht die im Vergleich zu Mais deutlich geringeren Methaner-träge pro Hektar aus. Doch trotz großem persönlichen Engage-ment läuft es für die niedersächsische Biogasbranche zurzeit nicht rund.
„Es ist 5 vor 12“ – Biogasbranche in der Krise
Während Käfer und Bienen ein neues Habitat besiedeln, stellen sich viele Biogasanlagenbetreiber in Niedersachsen die Frage, wie es für sie in den in nächsten Jahren weitergeht. „Es fehlen die Perspektiven, wenn die Anlagen nach 20 Jahren nicht mehr nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert werden. Ob wir dann noch wirtschaftlich weiterarbeiten können, ist die gro-ße Frage. Unser Vertrauen in die Politik geht verloren. Viele An-lagenbetreiber werden den Betrieb einstellen,“ so Rehses Prognose.
Rechtsunsicherheit verhindert Investitionen
„Aktuell sehen wir kein Licht am Ende des Tunnels. Die Politik stellt sich nicht konsequent hinter den Weiterbetrieb und Ausbau der Anlagen. Unter diesem Bedingen nehmen viele Betreiber kein Geld mehr für Investitionen in die Hand,“ so Rehse weiter. Auch volkswirtschaftlich ist der zu erwartende Rückbau der Anlagen ein Desaster: Mit Bundesmitteln wurde über Jahrzehnte eine verlässliche Regenerative-Energien-Infrastruktur geschaffen, die mit dem Ende der EEG-Förderung schlagartig aufgelöst wird. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben wird Kapital vernichtet.
Schleichendes Sterben der Biogasbranche – allem Klimaschutz zum Trotz
Silke Weyberg, LEE-Geschäftsführerin, ergänzt: „Als Landesverband begrüßen wir die Förderung von Blühpflanzenprojekten. Doch darf das Thema nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es gleichzeitig mit einem schleichenden Sterben der Biogasbranche zu tun haben. Konkrete genehmigungsrechtliche Hür-den durch Land und Bund nehmen den Biogasanlagen die Perspektive. Ein Desaster für die Energiewende, gerade im Hinblick auf den Ausgleich der volatilen Erneuerbaren, der Wärme und der Schwerlastmobilitätsbereich.
Hintergrund Aktionswoche Artenvielfalt:
12. bis 18. Juli findet bundesweit die Aktionswoche Artenvielfalt statt. Gemeinsam mit Imkern und Jägern, Naturschutzverbänden, Blühflächen-Projekten und Verbänden zeigt der LEE Niedersachsen-Bremen, dass Artenvielfalt und Biogas keinen Widerspruch darstellen. Im Gegenteil: Die Biogasnutzung bietet die Chance, dass die Felder langfristig wieder bunter und artenreicher werden und gleichzeitig ein wertvoller Lebensraum für Wildtiere und Insekten entsteht.
PM 13/2021, 15.07.2021