Am kommenden Samstag jährt sich der Tag der Erneuerbaren Energien zum 29. Mal. Dies nimmt der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) zum Anlass, um den Fortschritt des Ausbaus erneuerbarer Energien in Niedersachsen und Bremen genauer zu betrachten. Wo stehen die beiden Bundesländer aktuell in Bezug auf den Ausbau von erneuerbaren Energien und den Fortschritt bei den Stromtrassen?
Der LEE hat eine umfassende Analyse durchgeführt, basierend auf Statistiken der Bundesnetzagentur, der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen, der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung, dem Bundesverband Erneuerbare Energie, dem Fachverband Biogas und der Fachagentur Windenergie an Land. Das Fazit lautet: Trotz einiger Fortschritte sind die Potenziale für den Ausbau erneuerbarer Energien noch lange nicht ausgeschöpft.
Windenergie – Erfolge und Ausbaupotenzial
Niedersachsen kann sich in Bezug auf die Stromerzeugung durch Windenergie positiv behaupten. Das Flächenland exportiert sogar Strom in andere Bundesländer, was vor allem auf die starke Leistung der rund 6.200 Windenergieanlagen zurückzuführen ist.
Im ersten Quartal 2024 wurden in Niedersachsen 25 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 128,7 Megawatt in Betrieb genommen, während 32 Anlagen mit einer Leistung von 48,4 Megawatt stillgelegt wurden. Der Netto-Zubau betrug somit 80,3 Megawatt, wobei der Gesamtbestand um sieben Anlagen reduziert wurde. Zusätzlich wurden 82 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 432 Megawatt genehmigt. Um das jährliche Ausbauziel von 1.500 Megawatt zu erreichen, müsste der Ausbau laut Schätzungen des LEE bei 400 Megawatt liegen.
Derzeit verfügt Niedersachsen über 6.194 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 12.612 Megawatt, womit das Land sowohl in Bezug auf die Anzahl als auch die Leistung im Bereich Windenergie führend ist. Der LEE prognostiziert bis 2035 eine Gesamtanzahl von Windrädern zwischen 6.500 und 8.500 Anlagen. Dies würde bedeuten, dass bis 2035 3.300 bis 4.000 Anlagen neu errichtet werden müssen, wobei das Repowering eine wichtige Rolle spielt.
Bremen hingegen verfügt derzeit über 85 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 202 Megawatt. Im ersten Quartal 2024 gab es keine weiteren Genehmigungen, Auf- oder Rückbauten.
Biogasbranche – Das große Anlagensterben steht im Raum
Die Biogasbranche in Niedersachsen hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt. Laut einer Studie der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung waren 2021 in Niedersachsen 8.740 Personen in der Biogasbranche beschäftigt. Niedersachsen vereint 23 Prozent der deutschlandweit installierten Anlagenleistung auf sich. Der LEE schätzt den jährlichen Umsatz der Branche auf etwa vier Milliarden Euro.
Die Gesamtleistung und Anzahl der erneuerbaren Stromerzeugungseinheiten beliefen sich bis Februar 2024 auf 3.269 Generatoren mit einer Gesamtleistung von 1.921,1 Megawatt. Ende 2022 gab es in Niedersachsen 1.692 Biogasanlagen mit einer Gesamtleistung von 1.360 Megawatt. Bremen verzeichnet 11 Biomasseanlagen mit einer Gesamtleistung von 11,5 Megawatt, jedoch keine Biogasanlage.
Das Potenzial der Bioenergie ist enorm: In Niedersachsen könnte die aktuelle Leistung von 1,4 auf 2,8 Gigawatt bis 2030 problemlos verdoppelt werden, ohne mehr Biomasse einzusetzen oder zusätzliche Flächen zu beanspruchen. Stattdessen könnten zusätzliche Blockheizkraftwerke installiert werden, um Strom nur bei Bedarf zu erzeugen, wenn weder Sonne noch Wind verfügbar sind. Allerdings sehen viele Anlagenbetreiber aufgrund gesetzlicher Vorgaben die Wirtschaftlichkeit ihrer Anlagen gefährdet, was ein umfassendes Anlagensterben zur Folge haben könnte.
Solarenergie: Aufwärtstrend bei der Solarleistung
Die neu installierte Photovoltaik-Leistung in Niedersachsen hat sich im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Der jährliche Zuwachs stieg von gut 0,6 Gigawatt im Jahr 2022 auf über 1,4 Gigawatt im Jahr 2023. Die Gesamtleistung erhöhte sich von 5,6 Gigawatt auf knapp 7,1 Gigawatt, was einem Zu-wachs von über 25 Prozent entspricht. Bis Februar 2024 wurden in Niedersachsen 216,1 Megawatt an PV-Anlagen installiert.
Im Jahr 2023 wurden in Niedersachsen mit 96 Megawatt Leistung deutlich mehr Freiflächenanlagen errichtet als in den Vorjahren. Insgesamt sind auf Freiflächen 844 Megawatt installiert, was etwa 12 Prozent der Gesamtleistung von rund 7.060 Megawatt in Niedersachsen entspricht. Der LEE sieht ein hohes Potenzial für die Installation von PV-Anlagen auf Industriedächern und ertragsschwachen Ackerflächen.
Bremen verzeichnete im gleichen Zeitraum einen Zuwachs von 3,2 Megawatt und verfügt derzeit über eine solare Gesamtleistung von 100,5 Megawatt.
Geothermie – Nutzung von Erdwärme-Know-how
Obwohl Geothermie in Niedersachsen bisher eine untergeordnete Rolle spielt, gibt es vermehrt Projekte zur Gewinnung von Erdwärme. Der LEE betont die Bedeutung, das vorhandene Know-how aus dem Bergbau, der Erdöl- und Gasförderung zu nutzen, insbesondere für den Ausbau der Tiefengeothermie. Es sind gesicherte Regelungen erforderlich, um mittelständischen Unternehmen die finanzielle Hürde für Bohrungen und Erschließungen zu erleichtern.
Wasserkraft – Stabile Energiequelle für das Stromnetz
Die Kleine Wasserkraft spielt in Niedersachsen bisher eine untergeordnete Rolle. Der LEE setzt sich aktiv für den Ausbau von Wasserkraftwerken ein, um deren Systemdienlichkeit zu nutzen. Wasserkraftwerke können bei Stromengpässen kurzfristig einspringen und zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen, unabhängig von Wetterbedingungen. Bremen nutzt die Strömung der Weser für das zehn Megawatt starke Weserkraftwerk.
Die Stromtrassen sind noch nicht vollständig ausgebaut. Wie können die Anlagen trotzdem an das Stromnetz angeschlossen werden?
Trotz noch nicht vollständig ausgebauter Stromtrassen gibt es Möglichkeiten, erneuerbare Energien an das Netz anzuschließen. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat hierzu eine wegweisende Studie zur Optimierung der Nutzung von Netzanschlusspunkten (NVP) veröffentlicht. Der Vorschlag sieht vor, mehrere Erneuerbare-Energien-Anlagen, Speicher und Anlagen zur Sektorenkopplung gemeinsam an einen NVP anzuschließen. Dies ermöglicht eine effizientere Nutzung der Netzkapazität und schafft Raum für Back-up-Kraftwerke wie flexible Biogasanlagen oder Wasserkraftwerke, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen.